Biologengeschichten -- Inhalt Diss -- 1-Einleitung -- 2-Gebiete -- 3-Fangmethoden-- 4-Communities-- 5-Räumlich-- 6-Nahrung-- 7-Abundanz-- 8-Altersstruktur-- 9-Mortalität-- 10-Räuberdruck-- 11-Narben-- 12-Experimente-- 17-Literatur--
  1. 13. Schlußdiskussion 
    1. 13.1. Sind die Arten ökologisch gesondert? 
      1. 13.1.1. Sonderung auf Streu, Stubben und Stammbasen 

Von den elf im Buchenaltbestand FW gefundenen Chilopodenarten ist der überwiegende Teil in bezug auf die Aufenthaltsorte gesondert: Lithobius lusitanus valesiacus und Lithobius pelidnus bevorzugen den Stammbereich, L. (Monotarsobius) crassipes und L. macilentus finden sich ausschließlich bzw. hauptsächlich in morschen Baumstubben. Die Chilopodenfauna der Streuschicht wird von drei Arten dominiert (sie stellen zusammen über 95 % der Individuen): Lithobius mutabilis, L. (Monotarsobius) curtipes und Strigamia acuminata. In diesem Artentrio sind die im Gebiet vorkommenden Grundtypen des Chilopodenhabitus versammelt.

      1. 13.1.2. Sonderung der drei dominanten Arten in der Streuschicht 

Strigamia acuminata unterscheidet sich von den Lithobius-Arten durch die Fähigkeit, im Erdreich zu graben (MANTON 1965), durch eine größere Toleranz gegen Überflutung (BLOWER 1955, VERHOEFF 1925), durch eine andere Ernährungsweise (MANTON 1965, VERHOEFF 1925) sowie durch einen anderen Entwicklungsmodus. Diese Unterschiede lassen eine ausreichend große Nischentrennung von den lithobiomorphen Chilopoden erwarten.

Lithobius mutabilis und L. (Monotarsobius) curtipes vertreten zwar jeweils verschiedene Untergattungen, die Unterschiede zwischen ihnen sind jedoch längst nicht so groß wie im oben beschriebenen Fall. Wie diese Arbeit zeigt, bevorzugen die beiden Arten unterschiedliche Schichten des Waldbodens, wobei wahrscheinlich die Größe der Zwischenräume im Boden eine wesentliche Rolle spieit: L. curtipes hat eine Präferenz für enge Lücken und Spalten, L. mutabilis findet sich auch (/eher?) in größeren Hohlräumen des Waldbodens (Beobachtungen an vereisten Flächen und Ergebnis des Fichtenstreu-Versuchs). Im Sinne des relativ zu L. curtipes größeren Individuenanteils von L. mutabilis in der oberen Streuschicht steht auch seine weniger strenge Bindung an feuchtigkeitsgesättigte Luft.

Die Tatsache, dass L. mutabilis Aggregationen bildet, L. curtipes in der Horizontalen jedoch zufällig verteilt ist, macht einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Arten aus, der sich jedoch nur schwer unter dem Aspekt der Ressourcenaufteilung interpretieren lässt.

Im Nahrungsspektrum bestehen nur geringe Unterschiede zwischen L. mutabilis und L. curtipes. Ich stellte zwar eine besonders geringe Nischenüberlappung zwischen adulten L. curtipes und größengleichen Entwicklungsstadien von L. mutabilis fest, das Ergebnis lässt aber noch keine sicheren Schlüsse zu. In Bezug auf die Nahrungsgröße ist durch die Größendifferenz zwischen L. curtipes und L. mutabilis eine Nischentrennung für den ersten Jahrgang von L. curtipes gegenüber L. mutabilis so gut wie sicher. Interessanterweise ist gerade bei den jungen Larven der Unterschied zwischen den beiden Arten in der Vertikalverteilung nicht sehr ausgeprägt. Bemerkenswert ist auch, dass die Abundanz von L. curtipes bei den Stadien sehr stark abnimmt, die in den Größenbereich von L. mutabilis kommen.

      1. 13.1.3. Sonderung der selteneren Arten in der Streuschicht 

Die nächsthäufigen Arten der Streuschicht sind L. muticus und L. macilentus. Ihr horizontales Verteilungsmuster zeigt, dass sie eher an verschiedenen Stellen als gemeinsam vorkommen. Diese negative Assoziation beruht wahrscheinlich nicht auf direkter Interferenz zwischen den Arten. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie sich an Orten finden, die jeweils durch bestimmte Ressourcen "angereichert" sind: L. macilentus an Stellen mit mehr Rohhumus oder morschem Holz (BROCKSIEPER 1972) (dadurch auch feuchteren Stellen), L. muticus eher an trockeneren und besonnten Flecken des Waldbodens, wie seine Vorliebe für Eichen vermuten lässt (BROCKSIEPER 1972, LOKSA 1966, THIELE 1956). Auch diese Arten überlappen sich in ihrem Nahrungsangebot erheblich untereinander wie auch mit den anderen Lithobius-Arten des Gebietes, so dass eine ökologische Sonderung in Bezug auf die Nahrung nicht in Betracht zu kommen scheint.

Die ökologischen Ansprüche der seltenen Laubstreuart Lithobius dentatus ließen sich nicht näher feststellen. Sie ist auf jeden Fall kein extremer Nahrungsspezialist, wie das Ergebnis der Darminhaltsuntersuchungen zeigt. L. dentatus ist die größte Lithobius-Art im Gebiet FW - Kopfbreite und Körperlänge sind bei ihm ca. 1,2 mal so groß wie bei L. mutabilis, in seiner Prosternumweite unterscheidet er sich aber nicht wesentlich von L. mutabilis. (Im nächsten Abschnitt diskutiere ich die Frage, ob L. dentatus überhaupt im Untersuchungsgebiet fest etabliert ist.)

      1. 13.1.4. Schlußfolgerung 

Die gewonnenen Ergebnisse sprechen dafür, dass unterschiedliche Präferenz für verschiedene Habitatelemente und damit räumliche Trennung die entscheidende Rolle für das Zusammenleben der betrachteten Chilopoden-Artengemeinschaft spielt. Dabei scheinen schon kleine Unterschiede in der Struktur oder dem Mikroklima des Waldbodens von Bedeutung zu sein, wie der positive Einfluß der Baumartenvielfalt auf die Chilopodendiversität zeigt. (Baumartenvielfalt führt zu einer größeren Vielfalt von unterschiedlichen Aufenthaltsorten.)

Räumliche Sonderung ist die häufigste Form der Ressourcenaufteilung zwischen koexistierenden Arten (SCHOENER 1974). Als Erklärung führt SCHOENER an, dass durch Habitatseparation weder die Effektivität der Nahrungssuche noch die insgesamt zum Nahrungserwerb verfügbare Zeit eingeschränkt werden.

      1. 13.1.5. Vergleich mit den Ergebnissen anderer Autoren 

In einem englischen Buchen-Eichenwald zeigt die Lithobiidenfauna ein ähnliches Muster der ökologischen Sonderung (ROBERTS 1957). Die zwei häufigsten Arten (Lithobius (Monotarsobius) duboscqui) und L. variegatus) sind deutlich vertikal getrennt. [L. (M.) dubosqui heißt jetzt korrekt L. (M.) microps MEINERT 1886 (EASON 1982)]

Die drei selteneren Arten (L. muticus, L. lapidicola, L. forficatus) sind fleckenartig in kleinen Kolonien im Waldboden verteilt, für deren Vorkommen ROBERTS keine speziellen Ursachen finden konnte, Die von ROBERTS (1957) durchgeführte Darminhaltsanalyse zeigt größere Unterschiede im Nahrungsspektrum an, als ich bei den von mir untersuchten Arten finden konnte. Mit Ausnahme von L. muticus sind die Arten aber auch alle als Nahrungsgeneralisten anzusprechen. Die von ROBERTS vorgenommene Bewertung von L. muticus als Nahrungsspezialist für Nematoden steht im Widerspruch zu meinen Ergebnissen und sollte an Tieren aus dem ROBERTS'schen Untersuchungsgebiet überprüft werden.

In Nordamerika (südliches Ohio) untersuchte LEE (1980) die Verteilung der Chilopoden zwischen Falllaub und unter der Rinde toter Bäume: Vier von sieben häufigeren Arten fand er nur unter Rinde, zwei zeigten signifikante Präferenz für die Streuschicht, ein Geophilide war zu gleichen Teilen im Falllaub und unter der Rinde zu finden. Dieses Resultat bestätigt die in der vorliegenden Untersuchung gewonnene Einschätzung, dass Fallaub, Stubben und Baumstämme für die Chilopoden deutlich verschiedene Habitate darstellen.

Saisonale Wanderungen zwischen Stubben bzw. morschem Holz und der Iaubstreu, wie AUERBACH (1951) in Nordamerika und ROBERTS (1957) und LLOYD (1963) in England für einige Lithobiomorpha wahrscheinlich machten, konnte ich in dem Untersuchungsgebiet des Steigerwaldes nicht bemerken,

    1. 13.2. Zur Frage der ökologischen Sättigung 
      1. 13.2.1. Lithobius-Monotarsobius-Strigamia als "erlaubte Artenkombination": Monopolisierung der Ressourcen 

Eine Artengemeinschaft wird als ökologisch gesättigt bezeichnet, wenn die in ihr lebenden Arten durch die vollständige Nutzung der vorhandenen Ressourcen keine Lebensmöglichkeiten für zusätzliche Arten offenlassen. In einer Analyse der Avifauna der Inselwelt vor Neuguinea und der Regeln, nach denen sie zusammengesetzt ist, bezeichnet DIAMOND (1975) solche Artengemeinschaften als "erlaubte Kombinationen" (da sie in der Natur regelmäßig zu finden sind) im Gegensatz zu "verbotenen" Artenzusammensetzungen, die aufgrund ineffektiver Ressourcennutzung instabil sind und sich nicht gegen Eindringlinge abschließen können.

Das Artentrio Lithobius - Monotarsobius - Strigamia (bzw. Geophilide) scheint eine solche "erlaubte Kombination" zu sein, die die für Chilopoden wichtigen Ressourcen im Waldboden besetzt hält. Dafür spricht seine hohe Dominanz, die im Buchenwald des Solling - ebenfalls mit Lithobius mutabilis, L. (M.) curtipes und Strigamia acuminata - sogar über 99 % beträgt (ALBERT 1982). Die nur in geringer Zahl vorkommenden anderen Arten sind offensichtlich auf lokale Anreicherungen oder Differenzen des Ressourcenangebots angewiesen, wie oben diskutiert, und wie auch aus der Reaktion auf die Vermehrung der Humus- und Zersetzungsschicht des Bodens im Freilandversuch anklingt.

      1. 13.2.2. Weshalb gibt es bei den Lithobiiden keine Nahrungsspezialisten? 

Neben der räumlichen Separation ermöglicht in vielen Artengemeinschaften eine Spezialisierung in der Ernährung die Koexistenz verschiedener Arten. Dies scheint bei den Hundertfüßlern jedoch nicht der Fall zu sein, wie die weitgehende Überlappung der Nahrungsspektren der Arten bei den Darminhaltsuntersuchungen zeigt. Wie lässt sich die fehlende Nahrungsspezialisierung der Lithobiiden erklären?

Aus der Sicht der "Optimal Foraging Theory" (SCHOENER 1971) lassen sich hierfür mehrere Argumente finden:

(1) Lithobiiden sind lauernde Räuber, die erst nach erfolglosem Angriff suchend umherlaufen (DEMANGE 1956, DOBRORURA 1961, eigene Beobachtungen). Nach der Argumentation von SCHOENER (1971) ist bei lauernden Räubern eine geringe Beuteselektivität wahrscheinlich, da sie nur wenig Energie in die Nahrungssuche investieren müssen.

(2) Die Beutegröße der Hundertfüßler ist klein im Verhältnis zu ihrer eigenen Körpergröße. Zur Sättigung ist außerdem eine große Zahl Beutetiere notwendig (SIMON 1960, 1964; ALBERT im Druck a). Für diese Situation sagt das SCHOENER' sche Modell ebenfalls eine geringe Beuteselektivität voraus, da der Profit je Beutetier nur gering ist.

(3) Als drittes Argument kommt möglicherweise hinzu, dass das Beuteverteilungsmuster im Waldboden nicht kalkulierbar ist.

      1. 13.2.3. Weshalb gibt es keine stärkeren Größenunterschiede zwischen den Arten? 

Durch ihre langsame Entwicklungszeit und die Präsenz aller Entwicklungsstadien im selben Habitat besetzt eine Lithobius-Art einen sehr weiten Bereich, der in unserem Gebiet zu erwartenden Lithobius-Größen. Damit ist keine Möglichkeit mehr dafür vorhanden, dass ein zusätzlicher Lithobiide nur durch seine unterschiedliche Körpergröße in der Artengemeinschaft koexistieren kann.

Die beiden dominanten Arten L. mutabilis und L. curtipes unterscheiden sich in ihrer Körpergröße genau um den Faktor 1,23 - was der Hutchinson-Konstante für den Größenunterschied zwischen sympatrischen Arten mit gleichen ökologischen Ansprüchen entspricht. Durch die Überlappung der Körpergrößen von juvenilen L. mutabilis und älteren L. curtipes ergibt sich aber nur für den 1. Jahrgang von L. curtipes eine deutliche Größentrennung zwischen den Arten. Bei Betrachtung der Prosternumweiten wird der Unterschied zwar ausgeprägter, es bleibt aber auch dann nur der 1. Jahrgang von L. curtipes größenmäßig von L. mutabilis getrennt.

      1. 13.2.4. Gibt es ungenutzte Möglichkeiten der jahreszeitlichen Einnischung? 

Bei Tieren, die in ihrer Entwicklung einen obligatorischen Habitatwechsel durchmachen (z. B. Carabiden), kann eine Aufteilung in frühjahrs- und herbstbrütende Arten konkurrenzvermindernd wirken und damit eine höhere Artenvielfalt ermöglichen. Bei Spinnen - die während ihrer gesamten Entwicklung im selben Habitat bleiben - stellte ENDERS (1976) fest, dass große Arten sich vor kleineren fortpflanzen, so dass der Größenunterschied konkurrenzvermindernd wirkt.

Beide Möglichkeiten der Konkurrenzvermeidung sind bei den untersuchten Lithobiiden nicht gegeben, da sie erstens ihre gesamte Entwicklung in selben Habitat durchmachen und zweitens durch ihre mehrjährige Entwicklungsdauer immer mit einem ganzen Spektrum von Körpergrößen vertreten sind.

      1. 13.2.5. Ist Lithobius dentatus ein Eindringling oder im Gebiet heimisch? 

Lithobius dentatus wurde im Untersuchungsgebiet nur sehr selten gefangen. Die gewonnenen Tiere machen gerade einen Anteil von 0,2 % an der gesamten Chilopodenfauna aus. Möglicherweise handelt es sich dabei um Zuwanderer, die keine dauernde Existenzmöglichkeit im Gebiet finden. Dafür sprechen zwei Befunde:

(1) Obwohl schon die anamorphen Stadien leicht von denen der sympatrischen Lithobiusarten zu unterscheiden sind, wurden fast ausschließlich adulte und subadulte L. dentatus gefunden. In diesem Entwicklungsabschnitt erfolgt wahrscheinlich die Ausbreitung der Lithobiiden. Dafür spricht die bessere Trockenresistenz großer Individuen und die Tatsache, dass sich in Barberfallen beinahe nur adulte und subadulte Lithobiiden fangen (DUNGER 1966, TOBIAS 1975, ALBERT 1978).

(2) Die von L. dentatus gefangenen Tiere waren besonders häufig und stark vernarbt, was darauf hindeutet, dass sie entweder in Kämpfe mit anderen Lithobiiden verwickelt waren oder wegen häufigeren Umherlaufens öfter von Fressfeinden angegriffen worden waren.

Für die Auffassung, dass Lithobius dentatus kein Eindringling sondern im Gebiet heimisch ist, lassen sich vor allem zwei Argumente anführen:

(1) Ich konnte kein Häufigkeitszentrum finden, von dem aus L. dentatus in das Gebiet hätte einwandern können.

(2) Auch im Buchenbestand des Solling und in anderen Laubwäldern ist L. dentatus regelmäßig zu finden, obwohl er nirgends häufig vorzukommen scheint.

Das Problem 1äßt sich mit dem vorhandenen Datenmaterial nicht eindeutig entscheiden. Auf jeden Fall bleibt die Frage bestehen, wo sich die Jugendstadien von L. dentatus befinden.

    1. 13.3. Zur Dominanz von Lithobius mutabilis 
      1. 13.3.1. Typen von Dominanz 

Theoretisch lassen sich drei verschiedene ursachen für die überragende häufigkeit einer Art vorstellen (PRICE 1971). Es kann sich erstens um einen Pionier handeln, der am schnellsten zuvor ungenutzte Ressourcen ausbeuten und dadurch kurzfristig eine große Population aufbauen konnte. Zweitens kann die Dominanz einer Art darauf beruhen, dass sie sich auf die häufigste Ressource spezialisiert hat, und drittens kann eine Art dadurch dominant sein, dass sie als Generalist ein besonders weites Ressourcennutzungsspektrum hat.

      1. 13.3.2. Welcher Typ von Dominanz liegt bei L. mutabilis vor ? 

Als Pionierart lässt sich L. mutabilis sicher nicht ansehen. ALBERT (im Druck b) zeigt vielmehr, dass es sich aufgrund seiner geringen Vermehrungsrate, einer lang ausgedehnten Fortpflanzungsphase und einer großen Variabilität in der Entwicklungsdauer zwischen einzelnen Tieren um eine ausgesprochene Gleichgewichtsart (oder einen K-Strategen: MacARTHUR & WILSON 1967) handelt, wie es auch für den stabilen Lebensraum Waldboden zu erwarten ist (SOUTHWOOD 1976).

Die Frage, ob es sich bei L. mutabilis um einen Generalisten oder einen Spezialisten für eine häufige Ressource handelt, lässt sich nicht so leicht beantworten.

Als Generalist erscheint die Art im Vergleich zu L. curtipes und L. macilentus durch die größere ökologische Potenz in der Feuchtepräferenz und -toleranz sowie dadurch, dass sie in einem sehr weiten Spektrum von Habitaten und Teilhabitaten gefunden wurde, L. mutabilis kommt nicht nur in allen von mir untersuchten Waldgebieten, den Stubben und den Stammbasen vor, ALBERT (1982) fing ihn auch auf einer Waldwiese und BROCKSIEPER (1972) fand ihn auf Kahlschlägen. Als relativer Generalist [auf das untersuchte Gebiet und den Vergleich der vorhandenen Arten bezogen] müsste L. mutabilis im Bereich überlappender Ressourcennutzung mit dem relativen Spezialisten L. curtipes der unterlegene Konkurrent sein. Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein, wie die Ergebnisse der Experimente (Labor und Bodeneklektoren) nahelegen.

Es lassen sich jedoch auch Argumente dafür finden, dass die Art auf die Lebensbedingungen im Buchenfallaub spezialisiert ist, dessen Häufigkeit - wenn nicht Allgegenwart - im Untersuchungsgebiet seine Dominanz bewirkt:

(1) L. mutabilis hat anscheinend eine Präferenz für Buchenwälder (THIELE 1956). Dies führt z.B. in den ungarischen Eichenwäldern zu einer Umkehrung des im Steigerwald gefundenen Zahlenverhältnisses zwischen L. mutabilis und L. muticus (LOKSA 1966, 1973, 1979).

(2) Die Veränderung des Ressourcenangebots in den Laborversuchen führte nicht nur in den gemischten sondern auch in den reinen Populationen von L. mutabilis zu erheblichen Verlusten,

Im Überblick erscheinen die Argumente für den "Generalisten-Dominanztypus" gewichtiger. Zur Absicherung wären aber weitere Versuche zu den Habitatansprüchen und -toleranzen der Arten notwendig.

 

    1. 13.4. Lassen sich Lithobius-Jahrgangsklassen als "ökologische Arten" ansehen? 

In Kapitel 8 wurde festgestellt, dass die Größenunterschiede der Prosternumweiten zwischen den ersten drei Jahrgangsklassen von L. mutabilis formal der Größentrennung koexistierender Arten mit ähnlichen ökologischen Ansprüchen entsprechen. Ist es gerechtfertigt, die L. mutabilis-Jahrgangsklassen wegen dieser Größenunterschiede als "getrennte ökologische Arten" (ENDERS 1976) anzusehen, wie es POLIS (1980) in einer ähnlichen Situation für drei Jahrgangsklassen des Wüstenskorpions Paruroctonus mesaensis tut? Obwohl das Ausmaß der PW-Größentrennung formal als Koexistenzbedingung ausreichend wäre (MAIORANA 1978 a), scheint mir aus biologischen Gründen der Begriff der "ökologischen Art" in diesem Zusammenhang nicht angebracht zu sein.

ENDERS (1976) spekulierte, dass die Entwicklungsstadien von Prädatoren mit stufenweisem Wachstum "als getrennte ökologische Arten koexistieren könnten", wenn die Größenunterschiede zwischen den Stadien einen ausreichenden Größenunterschied in der Nahrung zur Folge hätten, Aus der Formulierung von ENDERS geht hervor, dass er für die intraspezifische Konkurrenz dieselben Mechanismen der begrenzenden Ähnlichkeit verschiedener Nischen ("limiting similarity") annimmt, wie sie MacARTHUR & LEVINS (1967) und andere für die Konkurrenz zwischen verschiedenen Arten analysiert haben.

Diese Betrachtung der Altersklassen als "ökologische Arten" übersieht die Unterschiedlichkeit der Wechselwirkungen in einer mehrere-Arten-Community und einer mehrere-Altersgruppen-Community. Eine Art kann ohne Nachteil für die restliche Artengemeinschaft durch Konkurrenz aus einer Community verdrängt werden. Für die auseinander hervorgehenden Altersklassen ist dieser Vorgang nicht denkbar. Anders als verschiedene Arten koexistieren verschiedene Altersklassen deshalb auch dann, wenn sie keine nennenswerten Unterschiede in der Ressourcennutzung aufweisen. Es ist also sinnlos, über eine "limiting similarity" für die Koexistenz von Altersklassen zu spekulieren,

Von verschiedenen Tierarten sind Mechanismen zur intraspezifischen Konkurrenzvermeidung bekannt. Z. B. gibt es oft ökologisch bedeutsame Größenunterschiede und Emährungsunterschiede zwischen den Geschlechtern bei Vögeln (HESPENHEIDE 1975) oder Säugetieren (z. B. BROWN & LASIEWSKIE 1972). Auch Polymorphismus kann die intraspezifische Konkurrenz herabsetzen (LOESCHCKE 1981). In diesen Fällen ergibt sich für die Arten immer der Vorteil einer Eweiterung des genutzten Ressourcenspektrums. Im Gegensatz dazu wird bei den Lithobiiden durch die Größentrennung der Altersklassen die Ressourcennutzung höchstens geordnet jedoch nicht erweitert. Die Weite des Ressourcenspektrums liegt nämlich schon durch die Größenspanne vom kleinsten bis zum größten Entwicklungsstadium fest, die in ihrem Habitat nicht weiter getrennt sind.

Mir ist nicht erkennbar, welche Selektionskräfte auf eine derartige Ordnung der Ressourcennutzung hinwirken könnten. Ich halte es deshalb für naheliegender, die Größentrennung der Jahrgangsklassen als Ausdruck des jahreszeitlichen Wechsels der Umweltbedingungen für L. mutabilis zu interpretieren. JOOSSE & TESTERINK (1977) stellten an dem Collembolen Orchesella cincta fest, dass der Wechsel von günstigen und ungünstigen Lebensbedingungen synchronisierend auf Häutung und Reproduktion wirkt. Möglicherweise lässt sich damit auch die Gleichzeitigkeit der "Übergangsstadien" (s. Kap.8) bei Lithobius erklären,