Abb. 17 zeigt, dass das für Lithobiiden typische Abundanzmaximum im Frühsommer vor allem auf die anamorphen Stadien zurückzuführen ist. Die Häufigkeit der epimorphen und adulten Tiere ist dagegen keinen so starken Schwankungen unterworfen. Obwohl in den Lithobius-Populationen alle Entwicklungsstadien gleichzeitig anzutreffen sind (Abb. 19, 20, 21) gibt es also dennoch eine Haupt-Eiablageperiode der Weibchen am Ende des Winters (LEWIS 1965, ROBERTS 1957, WIGNARAJAH & PHILLIPSON 1977). In Laborzuchten legten Weibchen von L. mutabilis das ganze Jahr über Eier (ALBERT 1979).
Zur Berechnung der Biomassen benutzte ich die von ALBERT (1977) bestimmten Regressionen zwischen Kopfschildbreite und Frischgewicht von L. mutabilis und L. (M.) curtipes. Aus Abb. 18 geht hervor, dass die Biomasse der Populationen bis zum Dezember beständig steigt. Die Ursache ist - neben der Größenzunahme der Tiere - eine erhöhte Häufigkeit der epimorphen Stadien im Spätjahr. L. mutabilis tritt mit 113 mg Trockengewicht pro m² (Maximum 132 mg/m², ALBERT 1977) im Solling-Buchenwald in wesentlich geringerer Biomasse auf als im Steigerwald, wo sich im Gebiet FW 261 mgTG/m² als Jahresdurchschnitt ergibt. (Umrechnung von Frischgewicht auf Trockengewicht nach den Formeln bei ALBERT 1977.) Die Population von L. (M.) curtipes im Steigerwald unterscheidet sich in ihrer Biomasse mit 42 mgTG/m² nicht deutlich von der des Solling, wo die Biomasse zwischen 17 und 58 mgTG/m² schwankt mit einem Mittelwert von 38 mgTG/m² (ALBERT 1977).
In Abb, 19 ist der Häufigkeitsverlauf der anamorphen Stadien von L. mutabilis und L. curtipes in den Streuproben des Jahres 1980 dargestellt. Die beiden ersten Larvenstadien (LO + L1) der Lithobiomorphen nehmen noch keine Nahrung auf, sondern leben von ihrem Dottervorrat im Darm (SCHEFFEL 1977). Das L0-Stadium dauert wesentlich kürzer als das L1-Stadium (ROBERTS 1957), womit sich die größere Häufigkeit der L1-Larven in Abb. 19 erklärt. L0- und L1-Stadien wurden von mir nicht nach Species unterschieden.
Die überwiegende Mehrheit der anamorphen Stadien von L. mutabilis durchläuft zwischen Mai und Juni das L2-Stadium, im (Juni?), Juli, August das L3-Stadium und erreicht bis zum September das letzte anamorphe Stadium (L4). Ein Teil dieser Tiere häutet sich noch einmal zum Stadium PL1, der andere Teil überwintert als L4-Larve. Bei L. (M.) curtipes sind die Verhältnisse im Prinzip ähnlich. Die Häufigkeitsmaxima der L2- und L3-Stadien treten allerdings einen Monat später auf als bei L. mutabilis, und die Tiere verbringen ihren ersten Winter in den Stadien L3 und L4.
Die L. mutabilis des 1. postlarvalen Stadiums durchlaufen während der Monate Juni und Juli die Entwicklungsstufe PL2, um sich schon bald (ab Juli) weiter zum Stadium PL3 zu häuten. Bis zur Überwinterung häutet sich ein Teil dieser Tiere noch einmal, so dass L. mutabilis im zweiten Entwicklungsjahr in den Stadien PL3 und PL4 überwintert (Abb. 20 a + b). Im Sommer des dritten Entwicklungsjahres wird das Stadium PL5 erreicht (Abb. 20 b + c). Die Überwinterung erfolgt dann überwiegend im Stadium PL6. Die Fortpflanzungsfähigkeit von L. mutabilis beginnt mit diesem Stadium, wie das Vorhandensein von Sperma in den Receptacula seminis und die großen Ovarien der Weibchen zeigen. Die Häufigkeit der adulten Stadien von L. mutabilis zeigt einen sehr ausgeglichenen Jahresverlauf, der keine Rückschlüsse auf die Stadiendauer zulässt (Abb. 20 c +d).
Die Lebensdauer der Adulten läßt sich jedoch ungefähr aus der Größenzunahme der Kopfschildbreite (KSB) bis zum ältesten Stadium PL9 ableiten (FRÜND, im Druck) (Tabelle 29). Es ernibt sich eine Lebensdauer der Adulten von 2 Jahren und damit eine Gesamtlebensdauer von 5 Jahren für L. mutabilis. Dieser Wert steht in guter Übereinstimmung mit einer Schätzung von ALBERT (im Druck b) aufgrund der Altersstruktur der Solling-Population, die ebenfalls zur Annahme von 5 Lebensjahren für L. mutabilis gelangt.
Aussagen über die postlarvale Entwicklung von L. (M.) curtipes sind sehr viel schlechter aus dem Abundanzverlauf der Stadien herauszulesen. (Die Stadienbestimmung geschah nach ANDERSSON 1979). Wie Abb. 21 zeigt, entspricht das im Sommer auftretende Stadium PL1 dem PL2 von L. mutabilis. L. curtipes überwintert im zweiten Jahr als PL2 (und PL3?). Auffällig ist der große Häufigkeitsunterschied beim Übergang vom L4-Stadium zu den postlarvalen Stadien von L. curtipes. In den späteren Entwicklungsstufen von L. curtipes lässt sich keine interpretierbare Häufigkeitsverteilung im Jahresgang feststellen. Bemerkenswert ist die im Verhältnis zu den juvenilen epimorphen Stadien hohe Abundanz der adulten Tiere (PL6-7). Die mittleren Stadien (PL1-4) von L. curtipes sind nach den Befunden zahlenmäßig unterrepräsentiert.
Im Solling scheint die Entwicklung von L. mutabilis und L. curtipes grundsätzlich ähnlich zu verlaufen (ALBERT 1979, im Druck b). Ein genauer Vergleich ist wegen der geringen Abundanzen im Solling nicht möglich.
1.) Anamorphe Stadien beider Arten haben ein Häufigkeitsmaximum im Frühsommer (Juli).
2.) Epimorphe Stadien haben keine ausgeprägten Häufigkeitsunterschiede im Jahresgang.
3.) Die Biomasse und Abundanz von L. mutabilis ist wesentlich höher als im Solling Buchenwald bei Göttingen, die von L. curtipes entspricht der im Solling festgestellten.
4.) L. mutabilis durchläuft seine anamorphe Entwicklung bis zum ersten Winter und erreicht die Fortpflanzungsfähigkeit nach weiteren zwei Jahren epimorpher Entwicklung. Adulte Tiere können noch ca. 2 Jahre leben (Abschätzung nach Wachstumskurve).
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