Biologengeschichten -- Inhalt Diss -- 1-Einleitung -- 2-Gebiete -- 3-Fangmethoden-- 4-Communities-- 5-Räumlich-- 6-Nahrung-- 7-Abundanz-- 8-Altersstruktur-- 10-Räuberdruck-- 11-Narben-- 12-Experimente-- 13-Diskussion-- 17-Literatur--

9. Mortalität der Arten Lithobius mutabilis und Lithobius curtipes

Die Kenntnis der Altersstruktur und der Abundanzentwicklung erlaubt eine grobe Abschätzung der Mortalität von Lithobius mutabilis und L. curtipes. Ich wandte zwei verschiedene Schätzverfahren an, die den Informationsgehalt der verfügbaren Daten unterschiedlich nutzen.

Methode A ("Richards & Waloff's First", SOUTHWOOD 1978) basiert auf der Gleichung

  Y t = N 0 ϕ t
 

für eine Population, die einer gleichbleibenden Mortalität ausgesetzt ist. (Yt = Populationsgröße zur Zeit t , N0 = Anzahl geschlüpfter oder in das betrachtete Stadium eingetretener Tiere, Ø = Überlebensrate pro Zeiteinheit.) Sie nimmt einen relativ gleichzeitigen Eintritt aller Individuen in die Population sowie eine ungefähr gleichmäßige Mortalitätsrate an.

Man bildet die Regression von log Yt, gegen die Zeit. Dabei ergibt sich für die Werte nach dem Häufigkeitsmaximum eine Regressionsgerade, deren Regressionskoeffizient dem Logarithmus der durchschnittlichen Überlebensrate pro Zeiteinheit (Ø) entspricht. Die Regressionsgleichung lautet:

log Yt = log N0 + t log Ø

Ich führte die Schätzung getrennt für die 1980 geschlüpften und die älteren Tiere durch (L. mutabilis: Abb. 25 und 27, L. curtipes: Abb. 26 und 28). Wie die Abbildungen zeigen, ist die Linearität der Regression nicht besonders gut. Vor allem bei den 1980 geschlüpften Tieren (Abb. 25 und 26) verwirrt der Anstieg der Individuenzahlen in den Monaten Oktober bis Dezember. Verschiedene mögliche Lesarten sind in den Abbildungen und ihren Legenden erwähnt.

Methode B entspricht ungefähr der "Graphischen Methode" von SOUTHWOOD (1978). Sie wurde auch von ALBERT (im Druck b) zur Schätzung der Mortalität von L. mutabilis und L. curtipes im Luzulo-Fagetum des Solling angewandt. Eine Annahme der Methode ist, dass die Mortalität jeweils am Stadienende erfolgt. Bei Methode B werden die Überlebensraten aus der relativen Häufigkeit der Stadien, korrigiert um die Stadiendauer, berechnet (Tab. 30 und 31). Die so berechnete Überlebensrate jedes Stadiums erlaubt die Konstruktion der Überlebenskurven der beiden Arten (Abb. 29 und 30). Die Überlebenskurve von L. mutabilis entspricht grundsätzlich der im Solling festgestellten (ALBERT im Druck b). Die Population von L. curtipes befand sich 1980 im Untersuchungsgebiet offensichtlich nicht im Gleichgewicht, wie das biologisch unsinnige Ansteigen der Überlebenskurve für die adulten Tiere anzeigt (Abb. 30). Die Überlebenskurve von L. curtipes im Solling wurde aus den gemittelten Abundanzen der Jahre 1972 - 1975 berechnet und zeigt einen ausgeglichenen Verlauf mit höherer Mortalität der jungen und alten Tiere aber geringer Sterblichkeit der Subadulten (PL1 - PL5) (ALBERT im Druck b).

Die beiden Schätzverfahren sind zwar nicht vollkommen unabhängig voneinander, denn sie basieren auf den selben Proben. Sie verwerten aber unterschiedliche Informationsaspekte und können so doch eine gewisse gegenseitige Kontrolle bilden. Bei Methode A wird die zeitliche Struktur im Jahresverlauf betrachtet ohne weitere Berücksichtigung der relativen Häufigkeit einzelner Stadien. Methode B nutzt dagegen die Information im Häufigkeitsverhältnis der Stadien zueinander und lässt die Zu- oder Abnahme der Population im Jahresverlauf unberücksichtigt.

Die Schätzungen erlauben es, die jährliche Verlustrate an Tieren beider Arten pro Quadratmeter bei ca. 50 - 100 anamorphen und 50 - 75 epimorphen L. mutabilis und L. curtipes anzunehmen (Tab. 32). Grundsätzlich können diese Populationsverluste durch Mortalität oder durch Dispersion (Abwanderung) zustande kommen. In dem großräumigen Waldbiotop scheint mir ein Abwandern der Lithobiiden äußerst unwahrscheinlich zu sein, so dass Mortalität als Ursache des festgestellten Populationsverlustes angesehen wird.

Die hier vorgenommenen Schätzungen haben ähnliche Überlebensraten zum Ergebnis, wie sie auch ALBERT (im Druck b) für L. mutabilis und L. curtipes im Solling errechnet hat. Nach ihren Daten überleben 35 % der L2-Larven von L. mutabilis bis zum Stadium L4. Auf 12 Monate umgerechnet bedeutet das eine Überlebensrate von 10 % pro Jahr. Der von mir mit der gleichen Methode (B) berechnete Wert von 48 % Jahres-Überlebensrate ist zwar recht verschieden, ein Vergleich der Eizahl-Schätzungen nach Methode A und Methode B (Tab. 32) spricht jedoch dafür, dass der mit der ersten Regressionsschätzung errechnete Wert in diesem Fall der Wirklichkeit näher kommt (Abb. 25). Diese Überlegung erfährt durch das ALBERT'sche Ergebnis eine Bestätigung.

Die übrigen für den Solling berechneten Überlebensraten liegen in der Größenordnung der von mir mit Methode B geschätzten Werte. L. mutabilis scheint im Solling eine höhere Sterblichkeit als L. curtipes zu haben. Im Steigerwald ist das Verhältnis dagegen umgekehrt, wie Tab. 32 zeigt.

ROBERTS (1957) fand bei dem 2 1/2 - 3 Jahre lebenden Lithobius variegatus eine Überlebensrate von 30 % für die anamorphen Stadien und die adulten Tiere nach der ersten Eiablage, sowie eine sehr geringe Mortalität während des mittleren Lebensabschnitts. Auch dieses Ergebnis passt zu den dargestellten Schätzwerten, wie auch zur Überlebenskurve von L. mutabilis (Abb. 29).

      1. Zusammenfassung des 9. Kapitels: 

Mortalität von Lithobius mutabilis und L. curtipes

1.) Die Überlebenskurve von L. mutabilis zeigt eine hohe larvale und postreproduktive Mortalität. Im mittleren Lebensabschnitt besteht eine größere Überlebenswahrscheinlichkeit der Tiere.

2.) Die Mortalität von Lithobius curtipes ist besonders groß beim Übergang von der anamorphen zur epimorphen Entwicklung.

3.) Der Individuenverlust beider Arten pro Jahr wird auf 50 - 100 Anamorphe und 50 - 75 Epimorphe pro Quadratmeter geschätzt. Das entspricht einer jährlichen Überlebensrate von 10 – 50 % bei den anamorphen und 50 - 65 % bei den epimorphen Tieren.

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